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zweiler.at Richy's Forum
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Richy Site Admin
Anmeldungsdatum: 25.10.2004 Beiträge: 111
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Verfasst am: Mo Mai 22, 2006 00:22 Titel: Platform |
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First of all: Herzlichen Dank für die vielen Antworten. Es hat mich wirklich sehr gefreut so viele Rückmeldungen zu erhalten und hat mich bekräftigt meine Erlebnisse weiterhin zu berichten.
Wie ich schon anklingen habe lassen ist das Leben hier für mich schon zum Alltag geworden, deswegen weiß ich nicht ob ich Euch alles Wichtige mitteile und Euch ein komplettes Bild von diesem Land vermitteln kann, aber was solls schließlich ist meine Wahrnehmung ja auch sehr selektiv und in diesem Land passiert so viel, daß man gar nicht alles wissen kann.
Mittlerweile habe ich schon wieder so viele neue Erlebnisse gehabt, daß ich auch wieder gerne darüber berichte. Das wichtigste für mich ist, daß die Rahmenbedingungen passen und da hatte ich Glück. Ich kann mit meiner Frau Kamilla über Skype telefonieren und bin deshalb quasi noch in der Zivilisation. Unsere Mädels halten mich auch auf dem laufenden und ich weiß was unser Bub Manuel so treibt. Damit kann ich die Zeit dann wieder mehr genießen wenn ich zu Hause bei meiner Familie bin.
Das Team hier ist wirklich toll, danke Wolfgang für den netten Empfang und die Erlaubnis, daß ich deine Fotos hier im Forum verwenden darf, genauso (short digression in english): Thank you, for the warm welcome, specifically to Robert - Thank you for taking the fotos and the permission to publish them.
Heute war ich das erste mal Offshore und zugleich auch das erste mal mit einem Hubschrauber unterwegs. Die Umstände waren wieder einmal sehr interessant - typisch für dieses Land. Gestern, Samstag, war es nicht möglich zu starten weil es so stark geregnet hat, also sind wir um halb sechs aufgestanden um bis elf zu warten und um halb zwölf unverrichteter Dinge wieder ins Büro zu kommen. Kann passieren, also wurde der Besuch auf Sonntag verschoben, d.h. wieder einmal um halb sechs aufstehen. Trotzdem haben wir uns am Samstag abend noch einmal zusammengefunden um gemütlich ein Bier zu trinken, das muß sein, zumindest einmal in der Woche. War wieder einmal sehr angenehm und nach einer kurzen Autofahrt war ich im Hotel und wollte die Nachtruhe antreten. Was auch bis ca. 1:00 funktionierte, bis halb zwei konnte ich allerdings nicht mehr schlafen weil einige Einheimische unter meinen Fenster ihr Wochenende feierten.
Also raffte ich mich auf um mich nach ihrer weiteren Zeitplanung zu erkundigen, zog mich an und ging nach unten. Diese Leute waren erwartungsgemäß schon leicht alkoholisiert und haben mir nach kurzer Diskussion angeboten mich zu Ihnen zu setzen und ein bißchen zu quatschen. Mir war klar, daß ich sowieso nicht schlafen kann, wenn Sie da unten weiter feiern und nahm Ihr Angebot an ein Bier mit Ihnen zu trinken. Was vielleicht auch die richtige Entscheidung war, weil ich jetzt wieder ein paar Bekannte mehr habe und sie nach 30 min. weiter in die nächste Bar gezogen sind. Das war wieder einer dieser Situationen wo ich mehr über das Land und die Leute erfahren habe. Diese Leute hatten alle einen vergleichsweise hohen Standard, Techniker mit Studium, Rechtsanwalt und auch sehr interessant, ein CHIEF!, d.h. Politiker. Spricht nicht viel, aber ist enorm wichtig. Ungünstige Kombination, wenn ich am Sonntag nicht arbeiten hätte müssen, hätten wir uns sicher noch länger unterhalten.
Heute war das Wetter in Ordnung, d.h. eigentlich perfekt weil es leicht bedeckt war, dadurch ist es dann nicht gar so heiß und ich konnte meinen ersten Helikopterflug zur UBIT-Platform antreten. Nigeria will den Erdölexport noch weiter ausbauen, deswegen geht's in der Küstengegend ums Niger Delta ziemlich rund. Es existieren unzählige Bohrlöcher (Wellhead Platforms) und sogennante Produktionsplattformen. Überall gibt es Baustellen, neue Plattformen werden gebaut und hunderte von Schiffen sind unterwegs. UBIT ist die größte Produktionsplatform, es sind 118 Wellhead Platforms angeschlossen. In den letzten Wochen habe ich mir bewußt vor Augen gehalten was hier läuft und es ist zugegebenermaßen sehr beeindruckend. Ich denke auch, daß technisch interessierte Leute, im speziellen natürlich Verfahrenstechniker extrem fasziniert sind von dieser "Produktion". Diese Terminologie habe ich mittlerweile auch schon akzeptiert obwohl mir bewußt ist welches Geschenk das "Scheiß-Öl" ist, wie es die meisten bezeichnen, die dafür arbeiten. In ein paar hundert Jahren, wenn es nicht mehr wirtschaftlich ist, diese Resource abzubauen wird es allen klar sein welchen Aufwand man treiben muß um dieses Kohlenwasserstoffgemisch herzustellen.
Aber im Moment funktionierts ganz einfach so: Gute Geologen beauftragen, Loch in den Boden bohren, gute Techniker beauftragen um ein paar Ventile, Separatoren und Leitungen bauen und schon schießt das CrudeOil in die Pipelines. Lagerstättendruck zu Beginn ca. 500 bar mit einem sehr geringen Anteil an Gas. Da mit dem Öl soviel Geld gemacht werden kann und jeder Tag früher, an dem es verkauft werden kann noch mehr Gewinne bringt rechnet es sich nicht das Gas zu nutzen, deshalb wird dieses Begleitprodukt kurzerhand abgefackelt. Die gesammelte Produktion wird an Land geleitet - zum QIT - und von dort an ein Terminal wo es per Schiff zu den großen Märkten transportiert wird.
Ein Teil des Gases wird derzeit schon genutzt und als LNG verkauft, der andere Teil wird größtenteils direkt bei den Feldern verbrannt. Das nächste Foto zeigt eine Fackel, von denen es unzählige gibt.
Wie man gut sehen kann wird das Gas ohne Zugabe von Verbrennugsluft in die Atmosphäre entlassen, wo es dann verbrennt, deshalb die große Rußentwicklung, ein Gebläse wäre schon wieder zu teuer. Diese Fackeln sieht man hier am Meer aus überall.
Nun aber zu meinem Site Visit. Zur Einstimmung wieder einmal ein Foto von der Fackel im QIT, hier wird wenigstens ein bißchen Luft dazugemischt, damit die Anrainer nicht im Ruß ersticken.
Nach einer Sicherheitseinschulung und dem Check In im QIT haben wir uns in einen Bristow - Hubschrauber gezwängt.
Ich hatte mir den Flug genauso vorgestellt, nachdem ich schon einige Szenen im Film gesehen hatte. Was ich vorher nicht wußte ist, wie laut es in einem Hunschrauber ist und wie stark man durchgeschüttelt wird. In dem Hbschrauber wackelt so ziemlich alles. Hier sieht man das komplette QIT.
Nach 20 min. waren wir auf der Platform, mit dem Schiff würde es ungefähr 4 Stunden dauern. Auf den nächsten Fotos sieht man den Niger, seine Verzweigungen und den Strand.
Über der Platform ist man mitten in diesem riesigen Fördergebiet wo man die Platformen und die Fackeln sehen kann.
Das Landen mit dem Hubschrauber ist sehr komfortabel, wenn man mit dem Schiff reist, muß man sich mit einem Seil auf das Boot schwingen, ist vielleicht ein bißchen abenteuerlicher.
Das Arbeitsklima auf der Platform ist sehr angenehm, das Essen ausgezeichnet. Auf dem folgenden Foto sieht man einen Fisch der zum Abendessen zubereitet wurde und den ich leider nicht mehr verspeisen konnte, aber zu Mittag war es auch O.K. Spare Ribs mit allen möglichen Beilagen. Außerdem habe ich hier das erste Mal echte Milch für meinen Nescafe bekommen, seitdem ich in Nigeria bin.
Nach der Erldedigung der Formalitäten und der Sicherheitseinschulung konnte ich endlich ans Werk gehen und versuchen ein paar Betriebsdaten zu bekommen und das Bedienungspersonal zu interviewen. Der Schichtleiter war auch relativ kooperativ und auskunftsfreudig, wollte mir aber keine Datenblätter geben weil das Betriebspersonal im Streik ist. Zum Glück hat er mir aber vorher die wichtigsten Daten schon mündlich mitgeteilt, die ich für die Fertigstellung eines Berichtes brauche, der schon seit 6 Wochen fertig sein sollte. Also wirds nächste Woche vielleicht wieder eine 80 Stunden Arbeitswoche. Genauso haben die Kollegen Ihre liebe Not mit der bestehenden Ausrüstung und diversen Änderungen.
Trotzdem hatte ich ein paar Augenblicke Zeit mir einige Details der Platform anzusehen. Ich habe glaube ich schon erwähnt, daß so eine Platform das El Dorado für einen Verfahrenstechniker ist, entschuldigung deswegen in der Folge für den technischen Sprachgebrauch. Ein ganz nettes Plätzchen ist z. Bsp. bei den Eingansseparatoren. Hier wird das Gas zur Durchflußmessung vom Öl abgetrennt. D.h. das Gemisch vom Bohrloch schießt aus einer DN800 Pipeline mit einem Druck von 150 bar in den Separator. Das ist im Grunde ein Druckbehälter mit zwei Ausgängen - für Gas und flüssige Bestandteile - mit einem Durchmesser von drei Metern und einer Länge von 15 Meter. Der Druck aus der Pipeline schwankt doch einigermaßen, was den Behälter sehr interessante Geräusche von sich geben läßt. Außerdem vibriert die Umgebung dort ziemlich heftig. Wenn man kein Vertrauen zur Dimensionierung des Druckbehälters hat könnte man glauben, daß einem die Apparatur jeden Moment um die Ohren fliegt. Aber mit dem Hintergrundwissen bezüglich der Prozessparameter ist das wirklich ein sehr interessantes Schauspiel.
Diese Platform ist für einen Flüssigkeitsstrom von ca. 250.000 BPD (barrels per day - an diese schwindlichen Einheiten muß man sich erst gewöhnen) dimensioniert. Bei einem WaterCut von 0,4 sind das ca. 150.000 barrels Öl pro Tag. Bei einem derzeitigen Preis von ca. 65 EUR pro barrel ist das schon ein ganz netter Erlös.
Auf dem folgenden Foto sieht man diese Platform, wo die meisten der 118 Bohrlöcher angeschlossen sind und auch diesen Test Separator.
Diese Ströme werden zur Produktionsplatform geführt, wo das Gas vom Öl getrennt wird.
Von der Produktionsplatform gehts dann über einen Verbindungsgang zur Quarters Platform, wo die Zimmer und das Hubschrauberterminal angebracht sind.
Das war der erste Besuch einer Platform, zum Teil ist es wirklich High Tech, was hier zum Einsatz kommt. Im großen und ganzen aber eine nicht ganz alltägliche Erfahrung.
LG Richard |
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Mex
Anmeldungsdatum: 08.05.2006 Beiträge: 2 Wohnort: Wien
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Verfasst am: Fr Jun 23, 2006 15:34 Titel: Schön! |
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150.000 bpd - damit kannst ja schon eine für mitteleuropäische Verhälnisse durchschnittliche Raffinerie versorgen (Schwechat hat glaub ich ca. 200.000)! Kannst du abschätzen, wie viele derartige Produktionsplattformen es in der Gegend gibt?
Aber die Abfackelei is ja der Wahnsinn... kaum zu glauben wie gut's uns in punkto Energiereserven noch immer geht.
Alles gute weiterhin und sag bescheid, wenn du wieder im Lande bist und neben der Familie noch Zeit übrig hast.
LG,
Mex |
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Richy Site Admin
Anmeldungsdatum: 25.10.2004 Beiträge: 111
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Verfasst am: Sa Jun 24, 2006 00:08 Titel: liab... |
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...könnte man dann ja fast zu Schwechat sagen, wenn das so ist. Durch diese wahnwitzige Aufholjagd in dem Projekt war ich so auf meinen Job konzentriert, daß ich gar keine Zeit für solche Überlegungen hatte.
Aber jetzt wos Dus sagst fällts mir ja wie Schuppen aus den Haaren . Ich schätze, daß es im näheren Umfeld so um die 10 solcher Bohrinseln gibt. Wir machen ja das FEED für den Anschluß drei neuer Wells an zwei verschiedene Produktionsplatformen und diese gehören zu den größten in dieser Nachbarschaft. Ich weiß auch, daß es 119 Ölsonden (Wellhead-Platforms) braucht um diese Produktion zu erreichen. Ich fahre zwar übermorgen schon nach Hause, aber beim nächsten mal werde ich ein bißchen mehr auf das Umfeld achten.
Wenn ich Revue passieren lasse, was ich hier so erlebt habe ist es schon teilweise sehr verrückt. Die Pipelines, welche wir anschließen sind ca. 20 km lang und müssen nach einer MPN - specification auf beiden Seiten drucklos gemacht werden können. Deswegen habe ich eine Depressurization-study ausgearbeitet und Temperaturen, Zeiten und diese Verläufe dargestellt. In der ersten Version der P&IDs ist eine Druckentlastung zum Hochdruck, zum Niderdruckseparator und schließlich zur Fackel vorgesehen. Also was denkt sich ein Amerikaner, der nicht einmal weiß wie man Kyoto schreibt in diesem Fall: Zwei Rohrleitungen zuviel !
Zum Glück ist der Druck in der Design Basis aber so hoch, daß die Minimumtemperatur der Rohrleitung im Blowdown Manifold unterschritten werden würde wenn man direkt in die Fackel entspannt. Deswegen haben Sie sich überzeugen lassen, doch eventuell das Gas in die Pipeline einzuspeisen und nicht vor Ort abzufackeln. Ansonsten wären 36 Stunden lang 4000 Nm³/h vernichtet worden. Soviel zu dem wie gut es uns mit den Resourcen geht. Ist sowieso alles Humbug mit der Erdölknappheit. Kostet halt nur mehr, weil soviele Leute gekidnappt werden und im Irak so viele getötet werden. Und den Scheichs aus Saudi-Arabien usw. bedeutet es zuviel Streß, wenn sie die Produktion erhöhen, da sitzen sie lieber im Kaffee, palavern und rauchen Wasserpfeife beim Kaffeschlürfen. Das ist eher das Problem, denn solange das Öl so aus dem Boden schießt (ziemlich cool, ein typischer Lagerstättendruck ist z.Bsp. 450 bar) und die Prognosen bis zum Erdölende immer nach oben revidiert werden gibts noch genug. Einige Leute haben mir erzählt, daß bei einem Preis von 65 EUR ca. 15 den Erdölkonzernen als Reingewinn übrigbleibt...
Na ja, wie gesagt das Projekt habe ich erfolgreich abgeschlossen nach einigen 85-Stunden Wochen und jetzt denke ich eher an meinen Urlaub, also bis bald.
LG Richard. |
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